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Viability 2.0 – Überlebensfähigkeit von Organisationen neu definiert

An diesen Satz erinnert sich mein Kollege Clemens Dachs immer noch, seit er ihn auf dem diesjährigen GTD Summit in Amsterdam hörte: „Unternehmen sollten wie Lebewesen gestaltet werden“. Der Urheber dieses Satzes war Brian Robertson, der Begründer von Holocracy, der diese Satz während seiner Rede vor dem versammelten Publikum äußerte. Volle Zustimmung dafür! Die Frage ist nur, welches Lebewesen genau und wie macht man das?

Lebensfähigkeit von Organisationen

Eine plausible Antwort auf diese Frage versuchte in den vergangenen Jahrzehnten die Schule der Kybernetik zu geben. Leider hört man von dieser Disziplin nicht mehr viel, da mittlerweile fast alle großen Kybernetiker ausgestorben sind. Eines der bekanntesten kybernetischen Modelle ist vermutlich das Viable System Model (VSM) des Management-Kybernetikers Stafford Beer. Das VSM überträgt die Wirkungsweise eines Nervensystems auf die Wahrnehmungs- und Steuerungsmechanismen von Unternehmen. Das Modell ist elegant, schlüssig und gibt wertvolle Erkenntnisse darüber, wie mit Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen in Unternehmen gestaltet werden können. Da die Kybernetik sich nur mit der Beschreibung von Informationsströmen und nicht mit materiellen und energetischen Zusammenhängen von Lebewesen beschäftigt, ist das VSM jedoch unvollständig. Es ist ein Nervensystem ohne Körper und somit nur ein Teilsystem eines Lebewesens. Daher kann das VSM, anders als sein Name vermuten lässt, keinen vollständigen Aufschluss über die Gestaltungskriterien für Lebensfähigkeit von Organisationen geben.

In meinem letzten Artikel habe ich aufgezeigt weshalb Zellen in jeder Form der Prototyp für Überlebensfähigkeit in einer veränderlichen Umwelt sind. Zellen sind der elementare Baustein jeder höheren Form von Leben und funktionieren ausnahmslos nach den gleichen physikalischen und chemischen Prinzipien. Diese Urform des Lebens besitzt kein Nervensystem und ist doch seit Milliarden von Jahren der Benchmark für (Über-)Lebensfähigkeit. Auch Pflanzen existieren ohne zentrales Nervensystem und dennoch wird niemand ernsthaft behaupten, dass ein Baum kein Lebewesen ist. Bäume haben zudem sehr überzeugende Erfolge vorzuweisen, gibt es doch Vertreter ihrer Art die tausende von Jahren existieren. Welches Unternehmen möchte nicht gerne tausende Jahre überdauern?

Gestaltung von lebensfähigen Organisationen

Wenn man Organisationen lebensfähig gestalten will, muss man sich auch mit deren vitalen Funktionen auseinandersetzen. Sonst ist das Vorgehen in etwa so als ob man Change Management betreiben möchte, ohne verstehen zu wollen, was die Organisation ausmacht und wie sie grundlegend funktioniert. Es ist das Optimieren einer Maschine, ohne zu verstehen wie ihre inneren Teile zusammenarbeiten. Lebensfähigkeit von Systemen ist das Resultat aus der Verwirklichung einer Reihe von fundamentalen lebensnotwendigen Prinzipien. Um diese zu verstehen, benötigen wir ein systemisches Verständnis der molekular-biologischer Vorgänge, die dann abstrahiert und für nicht biologische Systeme anwendbar gemacht werden. Diese Universal Viable Principles (UVP) sind Ursache und Wirkung zugleich, bedingen einander und führen in ihrer Gesamtheit zum Phänomen der Lebensfähigkeit.

Wenn es also ein erstrebenswertes Ziel ist, Organisationen nach dem Vorbild lebender Systeme zu gestalten – wie stellen wir das an? Aus meiner Sicht sind wir gezwungen den universellen Baustein allen Lebens zu verstehen, da er die Basis für Lebensfähigkeit auf unserer Erde darstellt. Dies gelingt uns nur durch das Übertragen molekular-biologischer Zusammenhänge von Materie, Energie und Information. Diese, alles Leben verbindende Prinzipien, erlauben es uns aus ihnen lebende Organisationen zu kreieren. Und zwar in einer ebenso großen Vielfalt und Unterschiedlichkeit, wie die Schöpfung eine Vielzahl an unterschiedlichsten Arten geschaffen hat.

Vielen Dank fürs Lesen, Bewerten und Teilen. Ich bin gespannt, was ihr darüber denkt.