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Die Dynamik guter Gewohnheiten

Zusammenfassung für eilige Leser
Sobald wir uns Ziele setzen treffen wir immer und immer wieder Entscheidungen über die Umsetzung unseres Ziels. Jede dieser Entscheidungen bringt uns näher oder weiter weg von diesem Ziel. Wir können Zielsetzung, Entscheidung und Verhalten daher als Regelkreis verstehen. Unser bewusstes Entscheidungsverhalten ist der Regler, während sich unser Verhalten aus dem Zusammenspiel unserer Entscheidungen, unseren Eigenschaften und den Einflüssen der Umwelt ergibt. Gewohnheiten hingegen sind Automatismen, die unser Verhalten direkt beeinflussen, ohne Zutun unseres bewussten Entscheidungsapparates. Der Artikel entwirft ein Modell, die Zielerreichung als Regelkreis zu verstehen und was diese Sicht für uns bedeutet, wenn wir besser darin werden wollen Ziele zu erreichen.

In meinem heutigen Artikel geht es um einen – zugegeben – etwas unüblichen Blick auf die Frage, wie man Ziele erreicht. Insbesondere mit der Frage über die Dynamik von Entscheidungen und der Bedeutung von Gewohnheiten – egal ob gut oder schlecht. Beschäftigt man sich zu viel mit systemtheoretischen Fragen und dem Verständnis zirkulärer Wechselwirkungssysteme, entwickelt man eine besondere Sicht auf den eigenen Alltag.  Auch wenn ich die Frage der Zielerreichung anhand ganz alltäglicher Zielvorstellungen wie dem Erlernen einer neuen Sprache oder dem Wunsch abzunehmen diskutiere, sind die Zusammenhänge auch auf Organisationen übertragbar. Denn eine gute Gewohnheit ist im Kontext der Organisation nichts anderes als ein eingeschliffener guter Prozess – die viel gelobten „Best-practices“.

Wie erreicht man Ziele überhaupt?

Zu aller erst benötigt man, soviel steht fest, ein Ziel, das man verfolgen möchte. Über die Art und Weise wie man sich Ziele setzen sollte, sei man nun eine lernwillige Person oder eine Organisation, wurden viele Bücher geschrieben. Daher lassen wir diese Betrachtungen für den Moment außen vor und gehen davon aus, dass die fiktive Person, über die wir im Folgenden sprechen, sich ein sinnvolles und erreichbares Ziel gesetzt hat. Und hier ist es dargestellt als eine Zielfahne.

Im Sinne des Ziels handeln

Nun ist es gemeinhin so, dass Ziele, die es wert sind, erreicht zu werden, nicht an einem Tag verwirklicht werden können. Stattdessen erreichen wir diese dadurch, dass wir uns wiederholt zielkonform verhalten. Angenommen wir setzen uns also das Ziel, eine neue Sprache zu lernen, dann werden wir diesem Ziel jedes Mal näherkommen, wenn wir uns so verhalten, dass es unserem Ziel dient. Abends nach einem anstrengenden Arbeitstag, als die Kinder endlich selig in ihren Bettchen schlummern, stellt sich also die Frage: Vokabeln pauken oder Fernsehen. Option (a) wäre also die zielkonforme Entscheidung und (b) eine nicht dem Ziel dienliche Verhaltensoption.

Lassen wir für den Moment einmal außen vor, dass es durchaus sein kann, dass man mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt, die womöglich sogar im Widerspruch zueinanderstehen, da dies die Überlegung nur unnötig verkomplizieren würde. Denn diese Thematik fällt für mich in die Domäne der Zielsetzung, bei der derlei Interdependenzen zu berücksichtigen sind. Um ihrem Ziel endlich Spanisch sprechen zu können näher zu kommen, entscheiden sie sich ganz selbstverständlich für Option (a) – nicht wahr? Oder doch nicht…zumindest nicht immer.

Auf die Kontinuität kommt es an

Folglich können wir also sagen, dass wir um Ziele zu erreichen zwei Dinge tun müssen: Entscheidungen über Verhaltensoptionen treffen und das ausgesuchte Verhalten dann auch ausführen. Dann sieht unser Fortschritt vermutlich in etwa so aus: Mal geht es schneller, Mal geht es langsamer oder sogar leicht rückwärts, aber irgendwann kommen wir dorthin, wo wir hinmöchten. Man spricht hier auch gemeinhin von der 1% Regel. Wenn man jeden Tag 1% Fortschritt erzielt, hat man mit „Fortschrittszinsen“ am Ende des Jahres einen Hub von 37,8% im Sinne der eigenen Zielerreichung gemacht [2]. Sprichworte dazu gibt es genügend: Steter Tropfen höhlt den Stein. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Wir halten fest: Auf Kontinuität kommt es an.

Wissen woher man kommt, um zu wissen wohin man geht

Um zu unserem Ziel zu gelangen gehen wir von unserem heutigen Standpunkt aus. Dem Ort, von dem wir unsere Reise zum Ziel hin antreten. Wenn wir uns ein Ziel setzen, ist es von unbeschreiblichem Wert zu wissen, wo man steht. Die Verortung des aktuellen Standpunktes, der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten ist fundamental wichtig, um ein sinnvolles Ziel setzen zu können. Auch gibt der aktuelle Standpunkt auch Rückschlüsse auf die möglichen Maßnahmen, um das gesteckte Ziel zu erreichen: Bin ich als angehender Spanisch-Schüler ganz am Anfang, mache ich sicherlich mit einem x-beliebigen Kurs für zu Hause gute Fortschritte. Möchte ich hingegen an meiner Aussprache feilen, wird es ohne Kontakt zu Muttersprachlern sehr schwierig werden.

Ohne Wahrnehmung kein Fortschritt

Die Wahrnehmung darüber, wie sich der eigene Fortschritt entwickelt, ist für das Vorankommen unerlässlich. Lernt man eine Sprache von Beginn an ist die Zielverfolgung relativ simpel: Man zählt die gelernten Vokabeln und hakt Stück um Stück neue grammatikalische Themengebiete ab. Oder aber man versuchst sich an standardisierten Sprachtests, um die persönliche Sprachfertigkeit zu prüfen. Arbeitet man hingegen an schwieriger messbaren Dingen, wie dem freundlicheren Umgang mit seinen Mitmenschen, aktives Zuhören, oder gar weniger Stress zu empfinden wird es deutlich kniffliger. Sicherlich kann man seinen Fortschritt anhand eines persönlichen Journals oder Tagebüchern erfassen, jedoch setzt die eigene Verortung in derlei Dingen ein hohes Maß an Selbstwahrnehmung voraus. Auch ist nicht zu leugnen, dass hierzu ein gehöriges Maß an subjektivem Empfinden mit hinein spielt – wie sollte es auch anders sein. Diese gekonnte Selbstwahrnehmung ist jedoch ein unverzichtbares Werkzeug, wenn ich meinen Standpunkt klar bestimmen möchte.

Auf die Frequenz kommt es an

Wenn wir über die Wahrnehmung des Fortschrittes sprechen stellt sich neben der Frage des wie, auch die Frage des wie oft? Baumeister der Vater der Selbstdisziplin bezeichnet diese Wahrnehmung als Selbstbeobachtung. Seine Studien zeigen deutlich, dass die Häufigkeit dieser Selbstbeobachtung von Bedeutung ist. Nimmt man zu selten „Maß“ steht dies im direkten Zusammenhang einer verminderten Zielerreichung. Beim Abnehmen zum Beispiel hat sich nicht bewahrheitet, dass einmal die Woche ausreichend ist das Gewicht zu messen. Schwankungen hin oder her, sich täglich selbst zu beobachten unterstützt die eigene Motivation [1]. Vereinfacht gesagt: Je häufiger die Selbstwahrnehmung, desto höher die Selbstdisziplin. Es kommt also darauf an, dass die Verortung des Fortschrittes ausreichend häufig geschieht. Tun wir dies nicht können wir Schwankungen und Veränderungen in der Fortschrittsgeschwindigkeit nicht ausreichend wahrnehmen. Wir kennen diesen Zusammenhang auch aus dem Beruflichen: Ein Projektterminplan entfaltet seine steuernde Wirkung nur, wenn er in ausreichender Frequenz hervorgezogen und entsprechende Maßnahmen daraus gezogen werden. In der Schublade hingegen hilft er nichts.

Ziele erreichen – ein kontinuierlicher Regelkreis

Jetzt haben wir die Grundlagen alle zusammen: Wir erreichen Ziele durch Entscheiden, Verhalten und Wahrnehmung. Wir wissen woher wir kommen (Ist- Stand) und wohin wir möchten (Zielzustand). Da unser Verhalten nichts anderes als eine unaufhörliche Kette von bewusster und unbewusster Entscheidung ist, ergibt sich ein geschlossener Wirkungskreis aus: Zielen – Entscheiden – Handeln und Wahrnehmen. Wir können dieses Zusammenspiel vereinfacht als einen geschlossenen Regelkreis interpretieren, den ich im Folgenden skizziert habe [4]:

Sollten Sie nicht in Genuss einer Systemtheorie- oder Regelungstechnik-Vorlesung gekommen sein, erkläre ich kurz wie das gezeigte Regelschema zu verstehen ist:
Auf der linken Seite ist unser bekanntes Ziel aufgezeichnet. Wir sprechen hierbei auch von der Führungsgröße. Denn wir erhoffen uns ja, dass diese Größe unser Verhalten führt. Auf das Beispiel eine Sprache zu lernen bedeutet das z.B.: 1000 Vokabeln lernen. Auf der rechten Seite ist unsere Ist-Position aufgezeichnet. Dieser liegt bei Beginn unserer Lernreise bei 0 Vokabeln. Folglich möchten wir eine Distanz von 1000 Vokabeln überwinden, um an unser Ziel zu gelangen.

Die Rückkopplungsschleife

Da wir uns regelmäßig messen, nehmen wir unseren aktuellen Stand wahr. Dieser Soll-Ist-Vergleich wird Rückkopplung genannt und trägt die Beschriftung „Wahrnehmung“. Unsere Wahrnehmung ist beispielsweise das wöchentliche Durchgehen unseres Karteikastens (old-school!) am Sonntagabend. Hierbei zählen wir alle bekannten Vokabeln durch und haben einen messbaren Lernfortschritt. Dadurch, dass wir dies nur einmal wöchentlich tun, ist dies keine ständige, sondern nur eine diskrete Messgröße. Würden wir unter der Woche an einem Dienstag und Mittwoch Vokabeln lernen und Fortschritt erzielen, würden wir diesen erst am Sonntag zahlenmäßig erfassen können. Genau deshalb ist die Regelmäßigkeit von Bedeutung, da sie sonst keine regelnde Bedeutung gewinnt.

Regler und Regelstrecke

Da wir also Wissen, dass wir aktuell keine einzige Vokabel können, haben wir eine Abweichung von 1000 an unserem Entscheidungs-Regler anliegen. Grundsätzlich funktioniert ein Regelkreis so, dass der anstehende Wert, dazu führt, dass eine Reaktion durch den Regler eingeleitet wird. Diese Reaktion ist für gewöhnlich so beschaffen, dass sie zu einer Verminderung der Differenz am Eingang führt, indem sie die Regelstrecke beeinflusst. Unsere Entscheidung regt folglich unser Verhalten an, sich in die erwünschte Richtung zu bewegen. Abhängig vom gemeinsamen Verhalten des Reglers und der Regelstrecke geschieht das dann schneller oder langsamer. Dies entspricht dem dynamischen Verhalten des Regelkreises.

Indem sich mit der Zeit die Anzahl am Ausgang unseres Regelkreises erhöht, reduziert sich die Differenz am Eingang des Reglers. Wir lernen dazu. Bildlich gesprochen verringert sich mit dem Lernfortschritt der Druck am Eingang des Reglers, etwas zu tun. Denken sie sich dieses Bild daher als stetigen Kreislauf, der immer wieder durchlaufen wird. Fällt beispielsweise an 14-Tagen in Folge am Regler die Entscheidung „Fernsehen“, ändert sich am Ausgang nichts. Wir lernen nicht dazu. Im ungünstigsten Fall sinkt der Wert sogar, da wir Vokabeln vergessen. Geschieht dies steigt der Druck wiederum etwas in die richtige Richtung zu unternehmen.

Störungen

Und was sind die Störungen? Ja, das ist der leidige Teil unseres Regelungssystems der dazu führt, dass wir trotz einer getroffenen Entscheidung nicht das Verhalten zeigen, dass wir gerne möchten. Stellen sie sich hierunter jegliche unvorhergesehene Störung vor. Angefangen vom spontanen Anruf eines Bekannten aus dem letzten Sommerurlaub bis hin zu lautem Geschrei auf der Straße vor Ihrem Haus. Ungeachtet der Dauer und des Ausmaßes führt das teilweise oder ganz zum Verpassen ihres abendlichen Vokabelpaukens.

Die Dynamik von Entscheidung und Verhalten

Regelkreisen ist gemein, dass sie ein Zeitverhalten haben. Sprich die 1000 fehlenden Vokabeln am Eingang unseres Regelkreises führen nicht unmittelbar dazu, dass am Ende „Simsalabim“ innerhalb eines kurzen Augenblickes 1000 Vokabeln stehen. Nein, es dauert immer bis das Ziel erreicht ist, sprich hat ein Zeitverhalten. Einerseits reagiert ein Regler nicht ohne Verzögerung, noch ist unsere Regelstrecke dazu in der Lage.

Der Entscheidung-Regler beeinflusst das Verhalten

Ein häufiger und einfacher Regler, den man aus der Systemtheorie kennt ist der sogenannte PI-Regler. Ob unser Entscheidungsverhalten in der Realität ein PI-Regler ist muss bezweifelt werden. Unser Entscheidungsverhalten ist nicht-linear und komplex. Das soll uns für dieses Überlegungen jedoch nicht stören, da ich diese Reduktion für anschaulich und hilfreich erachte. Denn aus meiner Beobachtung des menschlichen Entscheidungsverhaltens, kann man die beiden Komponenten eines PI-Regler erahnen. Wenden wir uns also den beiden zeitlich ganz unterschiedlich wirkenden Einflüssen unseres Entscheidungsverhaltens zu, die dieses Modell mit sich bringt:

Das unmittelbare Entscheidungsverhalten

Der P-Anteil steht für Proportionalität und damit einen Einfluss auf unsere Entscheidung, der unmittelbar und direkt geschieht. Wenn ein beliebiger Wert am Eingang des P-Reglers anliegt, gibt er diesen Wert multipliziert mit einem Faktor p aus. Ist der „Veränderungsdruck“ zu Beginn groß, führt dieser Teil unseres Entscheidungsverhaltens zu einem direkten Handlungsdrang. Je höher der „Druck“ und je höher unser individueller Verstärkungsfaktor p, desto eher Entscheiden wir uns kurzfristig zielkonform. Diese Komponente der Entscheidungsfindung geht für gewöhnlich mit einer hohen Selbstdisziplin einher. Personen, die ein hohes Maß an Disziplin aufweisen, werden direkter handeln, als Personen die einen schwachen Verstärkungsfaktor p haben. Für den einen fühlt sich die Lernlücke von 1000 Vokabeln wie 100 (p = 0,1 entspannt, undiszipliniert) an, und für den anderen wie 2000 (p =2 ernsthaft und diszipliniert). Auch die relative Bedeutung des Ziels innerhalb unserer eigenen inneren Zielhierarchie und die Deckungsgleichheit mit unserer Motivation sorgen für einen hohen Verstärkungsfaktor.

Das zeitabhängige Entscheidungsverhalten

Der I-Anteil steht für Integration. Damit steht der I-Anteil für Entscheidungseinflüsse, die sich über die Zeit aufbauen, solange das Ziel ansteht. Integration ist hier im mathematischen Sinne, gemeint: Das bedeutet eine Differenz von 1000 Vokabeln am Eingang unseres Reglers. Dies führt zu einem stetigen Anstieg des Wertes an seinem Ausgang: Erst 1, dann 2, dann 3 etc. Anstelle einer unmittelbaren, direkten Reaktion baut sich diese also über die Zeit auf. Die Frage ist nur wie schnell das geht. Denn auch hier existiert ein Faktor i, der festlegt wie schnell oder langsam dieser Anstieg von statten geht, womit sich der Entscheidungsdruck langsamer oder schneller aufbaut. Ich interpretiere den i-Anteil des Entscheidungsverhalten als das „schlechte Gewissen“. Er entsteht durch Tatsachen, die man nicht leugnen kann, je länger sich die Zielerreichung verzögert. Entscheide ich mich als leidenschaftlicher „Aufschieber“ mehrmals gegen zielkonformes Verhalten, oder werde wiederholt durch Störungen abgelenkt, baut sich mein schlechtes Gewissen auf. Irgendwann entsteht auch hier Handlungsdruck, wenn ich überhaupt keinen Fortschritt gemacht habe. So führt nach einer gewissen Zeit, diese dauerhafte Abweichung vom Zielzustand dazu, dass ich mich für zielkonformes Verhalten entscheide.

Die Frage, in welcher Form die Entscheidung fällt, hängt also von der ganz individuellen „Regler-Einstellung“ ab. Diese Einstellung ist zudem über die Zeit hinweg nicht stabil. Erschöpfung, oder andere Umgebungsfaktoren können dazu führen, dass wir andere Entscheidungen treffen, trotz gleich hohem „Druck“ am Eingang. An einem Tag können 500 fehlende Vokabeln noch ein Lernverhalten anregen, am nächsten Tag wiederum nicht.

Unser Verhalten wird durch unsere Eigenschaften bestimmt

Unser Verhalten habe ich als PT2-Funktion in mein Modell aufgenommen. Weshalb? Da unser Verhalten mit Sicherheit eines ist: Zeitabhängig und zum Teil hochdynamisch. Und zwar so dynamisch, dass jeder von uns diese „Überschwinger“ im eigenen Verhalten kennt, die aus schlechtem Gewissen oder überbordendem Eifer entstehen können. Das alles kann ein PT2-Glied aus regelungstechnischer Sicht abbilden.
Das durch eine Entscheidung hervorgerufene Verhalten hängt maßgeblich davon ab, wie unser System beschaffen ist. Und zwar der Teil unseres Systems, der nötig ist um unser konkretes Vorhaben zu erreichen. Möchten wir eine Sprache lernen benötigen wir gewisse Eigenschaften. Je nachdem in welchem Maße wir diese besitzen führt eine Entscheidung schneller oder langsamer zum gewünschten Ergebnis: Dies sind Eigenschaften wie Intelligenz, Persönlichkeitsmerkmale oder die Fähigkeit, sich über lange Zeit konzentrieren zu können. Aber auch ganz grundsätzlich begabt für den Spracherwerb zu sein oder bereits andere vergleichbare Sprachen zu kennen, fließen hier positiv ein. Zusammengefasst ist Verhalten für mich die konkrete Handlung, die wir vollziehen. Der konkrete Ergebnisbeitrag im Sinne der Zielerreichung hängt wiederum stark von der Beschaffenheit unseres Systems (Regelstrecke) ab. 

Störungen des Verhaltens trotz Entscheidung

Unser Verhalten ist auch der Ort an dem Störungen aus der Umwelt unseren Regelkreis „angreifen“. Nehmen wir beispielsweise Reize aus der Umwelt wie ein brummendes Handy. Die positive Entscheidung wurde zwar gefällt, aber unser Verhalten wird dadurch negativ beeinflusst. Die beste Möglichkeit diese Störungen loszuwerden, ist diese ganz zu vermeiden. Dies jedoch ist nur möglich, wenn diese nicht zufällig und unvorhersehbar sind. Ähnlich wie in der Regelungstechnik ist es daher auch im echten Leben: Bekannte Störungen können wir ausschalten, indem wir diese gezielt vermeiden. Handy aus! Unvorhergesehene Störungen hingegen werden immer das Ergebnis unseres Regelkreises beeinflussen.

Zuverlässige Zielerreichung durch Gewohnheiten

Kommen wir jetzt zum Kern des Artikels: Es ist mittlerweile bekannt, dass erfolgreiche Personen sich nicht durch eine außerordentliche Willenskraft und Disziplin auszeichnen. Stattdessen kennzeichnen sie sich dadurch, dass sie deutlich mehr gute Gewohnheiten erlernen, als ihre Mitmenschen. Gewohnheiten erfüllen einen wertvollen Zweck für unser Gehirn, indem sie Energie sparen, die wir beim Nachdenken und Entscheiden verbrauchen würden. Gewohnheiten sind automatisierte Handlungsmuster, die grundsätzlich nach dem Folgenden Schema ablaufen: Reiz, Routine und Belohnung [3]. Ein Reiz aus der Umwelt, bspw. das Erblicken des Schreibtisches, aber auch das Brummen des Mobiltelefons, das ihre Aufmerksamkeit verlangt.

Wie funktioniert eine gute Gewohnheit

Die Routine, die daraus folgt, hängt direkt mit der erwarteten Belohnung zusammen. Meist ein befriedigendes Ereignis, dass mit einer Ausschüttung des Hormons Dopamin einher geht. Der Blick auf die neueste WhatsApp-Nachricht befriedigt beispielsweise das menschliche Bedürfnis nach Nähe. Ob die Gewohnheit, die durch den Reiz erfolgt, „gut“ ist, hängt jedoch davon ab, ob sie mit dem zielkonformen Verhalten übereinstimmt.
Vereinfacht gesagt: Ist das durch den Reiz eingeleitete Verhalten gut für ihr Ziel, ist die Gewohnheit gut. Erfüllt sie hingegen keinen Zweck bei der Erreichung ihrer Ziele ist sie schlecht – oder wird als schlecht wahrgenommen.

Doch was bedeutet das Vorhandensein einer Gewohnheit für unser Modell?

Die Dynamik guter Gewohnheiten

Eine Gewohnheit hat die Eigenschaft, dass sie Verhalten unwillentlich hervorruft, ohne dass dazu eine bewusste Entscheidung nötig ist. Sprich völlig unabhängig davon, wie hoch der Druck an unserem Regler denn nun ist, egal ob 1000 oder nur 50 Vokabeln, es wird eine entsprechende Verhaltensreaktion verursacht. Gehen wir also davon aus, dass es sich um eine gute Gewohnheit handelt, die uns automatisch im Sinne unseres gewünschten Zieles handeln lässt: Der Anblick ihres Vokabel-Kastens führt nach monatelanger Disziplin und entsprechenden Erfolgen also zu einer automatischen Reaktion. Es ist eine Routine entstanden.: Tisch mit Vokabelkasten -> Lernen-> Erfolg durch Wissenserwerb. In Folge ist ihr Verhalten nahezu unabhängig (oder deutlich unabhängiger) von ihrer aktuellen Willenskraft, ihrer Tagesform oder anderen Faktoren die ihren „Entscheidung-Regler“ beeinflussen. Ihr Gehirn hat dieses Muster zwischen Reiz und Reaktion so internalisiert, dass dieser Pfad sie weniger Energie kostet und die bevorzugte Handlungsoption darstellt.

In der Regelungstechnik nennt man diese Funktion eine Vorsteuerung. Eine Vorsteuerung überführt die Führungsgröße direkt in ein entsprechendes Verhalten. Das funktioniert aber nur solange sich das Ziel nicht ändert oder die Regelstrecke gänzlich anders ist. Auch kann diese nichts gegen unvorhergesehene Störungen ausrichten. Wobei wir nicht vergessen dürfen, dass dieser Kreislauf immer und immer wieder abläuft und jede neue bewusste Entscheidung über den Ausgang der nächsten Handlung entscheidet.

Optimieren Sie ihren Zielerreichungs-Regelkreis

Ziel der technischen Regelungstechnik ist es immer die Leistung des Regelkreises zu verbessern. Durch die Optimierung des Reglers möchte man ein Verhalten des Systems erreichen, dass einerseits stabil ist und andererseits den Ansprüchen an Geschwindigkeit gerecht wird. Durch das Beobachten des Systems, durch äußere Reize kann man erfahren wie es reagiert und im Zusammenspiel zwischen Regelung – unseren Entscheidungen und der Regelstrecke (unserem Verhalten) funktioniert. Im nächsten Bild habe ich das Regelschema um mögliche Einflüsse erweitert, die sich auf das Verhalten des Systems auswirken. Diese „Stellschrauben“ ermöglichen es uns, sind wir uns über sie einmal bewusst, gezielter an unserem „Regelungsverhalten“ zu arbeiten:

Ansätze zur Optimierung

  • Stellen Sie sicher, dass die Wahrnehmung ihres Systems ausreichend ist. Werden Sie sich überhaupt regelmäßig und ausreichend darüber bewusst, ob Sie in die richtige Richtung laufen? Ohne eine ausreichende Selbstbeobachtung kann ihr Regelkreis kaum auf nicht zielführendes Verhalten reagieren.
  • Welche Parameter beeinflussen ihre Entscheidungen und ihr Verhalten? Führen diese Umstände dazu, dass Sie eher behäbig oder übermäßig auf neue oder bestehende Zielsetzungen reagieren? Beim Errichten guter Gewohnheiten geht es darum eine Häufung von optimalen Durchläufen zu erreichen. Gerade Störungen, die vorhersehbar sind müssen ausgeschlossen werden.
  • Die Erreichung von Zielen ist die Summe hunderter, wenn nicht gar tausender Situationen, in denen man richtig entschieden hat. Egal ob im Beruf oder Privat zeigt dies ganz deutlich welch marginale Wirkung Einmal-Aktionen und Hauruck-Vorhaben haben. Selbst wenn sie in der Lage sind durch eine unerhörte Willensanstrengung kurzfristig ihr Ziel zu erreichen, wird dies nicht von Dauer sein. Denn ändert sich nicht ihr Entscheidungsverhalten, ihre Persönlichkeit oder entwickeln sie keine gute Gewohnheit wird sie jeder Zyklus wieder von ihrem Ziel entfernen.

Auch die Optimierung ist eine gute Gewohnheit

Vergleichbar einem technischen Regelungssystem können sie das Verhalten ihres Systems dadurch ergründen, dass sie bewusst eine Verbindung zwischen Zielsetzung und Wahrnehmung herstellen. Der Regelungstechniker sagt auch Ausmessen des Systems dazu, und zwar indem er eine „Sprungantwort“ aufzeichnet. Er gibt vorne einen „Sprung“ auf das System (z.B. eine neue Zielgröße) und misst am Ausgang das Verhalten des Systems. Der Eingangsreiz führt zu einer Reaktion des Systems. Doch welche ist das? Erst wenn man dieses Verhalten versteht, ist man in der Lage die Optimierung vorzunehmen, und an den imaginären „Stellschrauben“ unserer Entscheidungsfindung zu drehen. Auch kann ich Störungen nur dann gezielt ausschalten, wenn ich mir dieser bewusst werde. Durch wiederholtes Justieren der eigenen Stellglieder kann so über die Zeit ein besseres Verhalten erreicht werden. Am Ende ist selbst das regelmäßige Beschäftigen mit sich selbst eine gute Gewohnheit, die sich positiv auf viele andere Bereiche des Lebens auswirken kann.

Eine Ausnahme ist in Ordnung, aber zwei Ausnahmen sind der Anfang einer schlechten Gewohnheit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Lebe lang und erfolgreich!

Literaturhinweise und Buchempfehlungen

[1] Baumeister, Roy F.; Tierney, John (2014): Die Macht der Disziplin. Wie wir unseren Willen trainieren können. 5. Auflage. München: Goldmann. Seite 141-154 [Affiliate-Links: Englische Ausgabe | Deutsche Ausgabe]
[2] Clear, James (2018): Atomic habits. An easy and proven way to build good habits and break bad ones : tiny changes, remarkable results. London: Random House Business Books. Seite 15-23 [Affiliate-Links: Englische Ausgabe | Deutsche Ausgabe ]
[3] Duhigg, Charles (2013): The power of habit. Why we do what we do and how to change. London: Random House Books. Seite 3-30;60-78 [Affiliate-Links: Englische Ausgabe | Deutsche Ausgabe]
[4] Föllinger, Otto; Dörrscheidt, Frank (2008): Regelungstechnik. Einführung in die Methoden und ihre Anwendung. 10. durchges. Aufl., Nachdr. der 8., überarb. Aufl. 1994. Heidelberg: Hüthig (Studium). Seite 284-285 [Affiliate-Links: Deutsche Ausgabe]