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Wie Organisationsbionik dem CTO als Change Manager hilft

Ich habe über Organisationsbionik gesprochen! Aber nicht allein, sondern mit Wolfgang Beeck und Thomas Jenewein im EducationNewsCast Podcast.

Im Podcast sprechen wir gemeinsam darüber, wie Wolfgang und ich erfolgreich Prinzipien aus unserem Business-Roman Zellkultur auf die Beschleunigung einer erfolgskritischen Entwicklung bei Regnology Group GmbH übertragen haben.

Kurzfassung

Es gibt einiges zu erfahren in unserem Podcast. Zu Beginn gebe ich ein paar Beispiele darüber, wie die Natur bereits in der Vergangenheit Managementtheorien beeinflusst hat. Selbst Niklas Luhmann bediente sich Begrifflichkeit aus der Biologie, wie natürlich aus Stafford Beer und sein Viable System Model. Im Kern geht die Episode aber um angewandtes Change Management und operative Exzellenz in einer agilen Entwicklungsumgebung. Wolfgang zeigt auch auf, weshalb ein CTO neben dem Fokus auf Technisches, zugleich auch Change Agent sein sollte.

Es gibt viele spannende, konkrete Beispiele aus der Praxis zu hören, wie die Optimierung von Tests und Testsystemen oder wie wir die Performance, mithilfe katalytischer Beschleunigung von Arbeitsprozessen verbessern konnten. Außerdem erfahrt ihr was es mit dem Schaffen besserer Arbeitsbedingungen auf sich hat. Als bekennender Praktiker ist mein früherer Kunde Wolfgang überzeugt, dass ihm unsere Organisationsbionik dabei geholfen haben, die ambitionierten Ziele seiner Entwicklungsorganisation zu erreichen.

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Organisationsbionik – Organisationen nach dem Vorbild der Natur gestalten

Zusammenfassung für eilige Leser
Es gibt eine Vielzahl an Erklärungsmodellen für Organisationen, aus der Soziologie, Psychologie oder den Betriebswirtschaft. Einen vielversprechenden Blick liefert der Blick in die Natur. Der Artikel erklärt, wie Bionik für organisatorische Fragestellungen gelingen kann und welche bekannten Ansätze von natürlichen Vorbildern inspiriert wurden.

Organisationen verstehen

Unternehmensorganisationen lassen sich auf vielfältige Art und Weise begreifen: Für Soziologen ist sie das Ergebnis eines Zusammenspieles aus sich selbst erzeugender Kommunikation. Der Betriebswirtschaftler denkt klassisch an den Dualismus aus Aufbau – und Ablauforganisation. Also einmal Kästchen von oben nach unten (Hierarchie) und einmal Kästchen von links nach rechts (Prozesse). Der Organisationspsychologe hingegen blickt auf den Kontext der Organisation und seine Auswirkungen auf das Handeln des Individuums.

Sicherlich gibt es noch viele andere Denkschulen, die sich mit der Frage befassen, wie Organisationen zu verstehen sind. Denn eines ist allen gemein: Sie liefern nur einen eng gefassten Blick auf Organisationen, der für sich sicher richtig ist, jedoch das große Ganze einer sozialen Organisation niemals einfangen kann. In diesem Artikel beleuchte ich welchen Beitrag die Organisationsbionik liefern kann, um uns zu einem gesamtheitlichen Verständnis von Organisationen helfen kann.

Was ist Organisationsbionik?

Den Begriff Bionik haben die meisten Menschen wohl schon gehört – irgendetwas mit Natur. Genau: Bei der Bionik handelt es sich um die Wissenschaft zur Lösung technischer Probleme nach dem Vorbild der Natur. Wir alle kennen technische Erfindungen, die ursprünglich aus der Ideenkiste von Mutter Natur stammen: Klettverschluss, Lotus-Effekt, Sonar oder Flugzeugtragflächen. In jüngster Vergangenheit lernen wir aber nicht nur Bauprinzipien abzuschauen, sondern auch natürliche Abläufe zu nutzen: Leichtgewichtbauteile werden nach dem Wachstum des Schleimpilzes am Computer erzeugt. Der Reiz der bionischen Forschung ist offenkundig: Alles, was wir in der Natur beobachten können, ist durch Jahrmillionen natürlicher Auslese verfeinert und perfektioniert worden. Damit sind natürliche Vorbilder in einem Reifegrad angekommen, den technische Innovationen sonst nicht liefern können.

Ist es bei all den technischen Durchbrüchen nicht naheliegend, dass die Natur uns auch etwas darüber beibringen kann, wie Organisationen gestaltet werden sollen? Genau dieses Teilgebiet ist die sogenannte Organisationsbionik. Sie versucht organisatorischen und gesellschaftlichen Fragestellungen anhand der Beobachtung der Natur zu beantworten.

Gefahren und Chancen der Organisationsbionik

Wir alle kennen weitverbreitete Beispiele wie Bienenschwärme und Wolfsrudel. Doch inwiefern lassen sich die Herausforderungen moderner Organisationen in einer digitalisierten Welt durch Erkenntnisse aus der Beobachtung von Tieren lösen?

Ich halte diese Skepsis für gerechtfertigt. Ich bin überzeugt, dass Analogien aus der Natur immer mit Bedacht behandelt werden sollen. Denn die zugrunde liegende Annahme ist ja, dass wir eine Ähnlichkeit zwischen den beiden Betrachtungsgegenständen (also z. B. einem Bienenschwarm und Abteilung) unterstellen. Ist diese Ähnlichkeit nicht gegeben, begehen wir einen Fehlschluss, der keinen Mehrwert liefern kann. Gut, abgesehen von einem gewissen Unterhaltungswert natürlich. Denn die Natur schreibt zweifellos spannende Geschichten und liefert schillerndes Anschauungsmaterial.

Es ist offensichtlich: Bei der Organisationsbionik werden zwangsweise unterschiedliche Objekte und Phänomene miteinander verglichen, deren Ähnlichkeit bezweifelt werden darf. Die Kunst ist es also, sich weniger auf offensichtliche Ähnlichkeiten zu stützen, sondern abstrakte Wirkprinzipien zu erkunden, die eine ausreichende Gültigkeit für beide Objekte besitzen. Amüsant, denn auf diese Gefahr wird sogar von staatlicher Seite hingewiesen: das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag warnt sogar vor naiven Analogien und Sozialdarwinismus bei der Übertragung von natürlichen Beobachtungen auf gesellschaftliche Fragen [1].

Wie kann man von der Natur lernen?

Um bewusster mit den Grenzen der Analogienfindung umzugehen, wenden wir uns kurz den Arten des bionischen Lernens zu, das auf dreierlei Art erfolgen kann [2]:

Erstens: Das Lernen von den Ergebnissen der Evolution

Dies ist die klassische Domäne der Bionik. Es werden Ergebnisse, sprich Lebewesen, Phänomene und Strukturen beobachtet und auf technische Lösungen übertragen. Das mag bei technischen Anwendungen problemlos funktionierten, birgt im Rahmen der Organisationsbionik doch erhebliche Gefahren. Denn bei einer technischen Innovation wird versucht, das natürliche Vorbild exakt nachzubilden, indem physikalische Strukturen nachempfunden werden. Die notwendige Ähnlichkeit zur Übertragung ist hier nicht Grundvoraussetzung, sondern Ziel des Vorhabens.

In der Organisationsbionik hingegen kann es aber kaum die Absicht sein, die natürliche Struktur des Bienenschwarms exakt nachzuempfinden. Niemand würde ernsthaft versuchen ein möglichst vergleichbares Sozialgefüge zu installieren. Das funktioniert allein deshalb schon nicht, da die für die Zielorganisation konstituierenden Elemente einander nicht ähnlich sind: Bienenschwärme bestehen aus Königinnen, Arbeiterinnen und Drohnen, menschliche Organisationen hingegen aus Menschen.

Zweitens: Das Lernen vom Evolutionsprozess

Hier geht es darum, den Prozess der Evolution selbst zu nutzen, sprich Verfahren und Algorithmen zu entwickeln, die auf Selektionsmechanismen á la Darwin basieren. Da es hier bereits um „Wie“ anstelle von „Was“-Fragestellungen handelt, bin ich der Meinung, dass diese auch für organisatorische Fragestellungen nutzbar sind. Dass die darwinsche Idee einen universellen Charakter hat, der weit über biologische Fragestellungen hinaus Antworten liefert, ist heute anerkannt [3]. Evolutionsalgorithmen sind deshalb heute bereits verbreitet, wenn es um Optimierungsprobleme geht, denen man durch wiederholte Selektion versucht anzunähern. Lose übertragen kann man den verbreiteten Deming-, oder auch PDCA-Zyklus zur Prozessoptimierung hier einordnen: Denn nach jeder Veränderung (Mutation) in Form der Do-Phase, folgt eine Check-Phase, in der die tatsächlichen Ergebnisse evaluiert werden. Sind diese nicht ausreichend gut, wird der Lösungsansatz selektiert und ggf. eine neue Optimierungsrunde eingeleitet (Act-Phase)

Drittens: Das Lernen von den Prinzipien der Evolution

Die dritte Art des Lernens geht es um die Nutzbarmachung grundlegender Prinzipien der Natur, wie z. B.: Selbstorganisation, Autopoiesis, Rekursion oder der Modularität. Aus meiner Sicht ist diese Art des Lernens ein Sonderfall der ersten Methode, indem man sich auf die Zusammenhänge und Interaktionen bei der Beobachtung von natürlichen Vorbildern fokussiert – dem „Wie“. Denn aus einem Verständnis der Abläufe lassen sich abstrakte Prinzipien ableiten, die wiederum breiter übertragbar sind. Ich persönlich halte die Gewinnung von natürlichen (Erfolgs-)Prinzipien für sehr ergiebig, da mir meine mittlerweile fast 10 Jahre andauernde Lernreise eines gezeigt hat: Das natürliche Prinzipien zwingende Notwendigkeit besitzen – und zwar für alle lebenden Systeme (und Organisationen).

Beispiele für organisationsbionische Ansätze

Im Folgenden habe ich eine ausgewählte Liste an mir bekannten Organisationsansätzen zusammengetragen. Die Reihenfolge ist grob chronologisch von alt zu neu erfolgt. Vermutlich werden Sie auch überrascht sein, den einen oder anderen Ansatz hier zu finden, da dessen Begründer sich sicherlich nicht als Organisationsbioniker verstehen würde. Außerdem kommentiere ich kurz, wie viel Inspiration aus der Natur Einfluss in den jeweiligen Ansätzen steckt. Eine fehlende Übertragung vom natürlichen Vorbild ist selbstredend kein Kriterium für fehlende Wirksamkeit sein, ist aber damit keine bionische Analogie im engeren Sinne mehr.

Viable System Model von Stafford Beer

Bereits in den späten 1960er-Jahren formuliert, ist das Viable System Model (abgekürzt VSM) das älteste Management-System nach dem Vorbild der Natur [4]. Erfunden vom Management-Kybernetiker Stafford Beer ist das VSM ein generisches Referenzmodell für jede Art von Organisation, mit dem Gedanken, diese überlebensfähig zu machen. Beer spricht selbst davon, dass das VSM dem menschlichen Zentralnervensystem nachempfunden ist. Das VSM teilt das zu steuernde System in fünf Subsysteme ein, die alle einen bestimmten Beitrag zum lebensfähigen Gesamtsystem liefern. Man erkennt hier deutlich, dass Beer einen operativen Managementhintergrund hatte. Die fünf Systeme von Produktion bis hin zum Management, wirken eher wirtschaftswissenschaftlich als biologisch. Trotz seines Alters hat das VSM bis heute überdauert, wird erfolgreich angewandt und hat unter anderem auch das St. Gallener Management-Modell maßgeblich beeinflusst.

Nun, das VSM ist sicherlich nicht zu Unrecht in dieser Liste. Doch ist es aus meiner Sicht weniger bionisch angehaucht, als es den Anschein macht. Die Ähnlichkeiten zu einem menschlichen Nervensystem sind als anekdotisch einzustufen. Denn sie beziehen sich häufig eher auf anatomische Ähnlichkeiten („Was“) anstelle der Funktionalität („Wie“). Das mag auch am begrenzten Wissen über die Wirkungsweise unseres Nervensystems Mitte des letzten Jahrhunderts liegen. Auf der anderen Seite finden sich natürliche Prinzipien wie die Rekursion oder Autopoiesis darin wieder, die aus dem Repertoire der Natur kommen. Praktisch liefert es aus meiner Sicht sehr hilfreiche Ansätze zur Strukturierung und Gestaltung von Organisationen, gerade wenn es darum geht Organisationseinheiten mit einem optimalen Handlungsspielraum auszustatten (siehe auch [5]).

Eine Abschlussbemerkung: Obwohl ich ein echter Fan des VSM bin, ist gerade der Name des Modells irreführend: Viable System Modell, also überlebensfähiges Systemmodell. Doch wie auch viele andere Denker, die durch die kybernetische Denkschule des 20. Jahrhunderts beeinflusst wurden, konnte Beer mit seinem Model nicht die Lebensfähigkeit von Organisationen erklären. Denn das wäre so, als ob man behauptet, ein Nervensystem ist überlebensnotwendig. Das würde Pilzen, Bäumen und anderen einzelligen Lebewesen aber sicherlich Unrecht tun, die hervorragend ohne diese Einrichtung zurechtkommen.

Systemtheorie nach Niklas Luhmann

Ja, vermutlich ist der eine oder die eine überrascht, die Systemtheorie nach Niklas Luhmann hier zu finden, doch ich habe dafür meine Gründe. Herr Luhmann ist ja dafür bekannt, über Jahrzehnte einen recht umfassenden Erklärungsansatz für die Beschreibung von komplexen sozialen Organisationen (oder Systemen) verfasst zu haben. Nicht nur hat er erkannt, dass die Differenz zwischen Dingen notwendig ist, um überhaupt etwas erkennen zu können und definiert Systeme als die Differenz seiner Umwelt. Ein System hat demnach unterscheidbare Eigenschaften gegenüber seiner Umwelt, die in der Beziehung zwischen seinen Elementen zu finden sind. Diese Beziehung ist die Kommunikation bzw. Interaktionen innerhalb einer sozialen Organisation. Kommunikation erzeugt wiederum neue Kommunikation usw. wodurch das soziale System „am Leben bleibt“. Und an dieser Stelle ist Luhmanns Blick in die Natur offenkundig: Denn Luhmann verwendet den Begriff der Autopoiesis, die ein zentrales Prinzip der Systemtheorie ist und interpretiert ihn im Sinne der Sozialwissenschaften [7]. Denn Autopoiesis bezeichnet die sogenannte Selbsterzeugung (griech. autos = selbst und poiesis = erzeugen) von Lebewesen und lebenden Systemen und wurde erstmals durch die Biologen Humberto Maturana und Franceso Varela geprägt [8]. Luhmanns Erkenntnis: Soziale Systeme verarbeiten kontinuierlich Sinn und operieren auf Basis von Kommunikation, während Biologische materielle Ressourcen verarbeiten und auf Basis von physikalisch-chemischen Prozessen operieren. Beide sind somit auf ihre Art autopoietisch.

Luhmann hat mit der Integration des biologischen Prinzips der Autopoiesis eine Ähnlichkeit zwischen Lebewesen und sozialen Organisationen gezogen. Er ging sogar so weit zu sagen, dass nichts in der Soziologie Sinn ergebe, betrachte man es nicht im Lichte der Autopoiesis [6]. Ich werte das als Anerkennung dafür, dass soziale Organisationen im übertragenen Sinne virtuelle Lebewesen sind. Damit gehört die luhmannsche Systemtheorie in meinen Augen zurecht auf diese Liste, von der Natur inspirierter Ansätze.

Synergetik von Herman Haken

Die Synergetik ist die interdisziplinäre Theorie der Selbstorganisation, die in der Natur in vielfacher Weise beobachtet werden kann, bspw. beim Wachstum von kristallen Wellenstrukturen, Wolkenmuster, Dünen bis hin zur Zellbildung. Die Synergetik ist in den 1970er-Jahren aus der statistischen Physik der Nichtgleichgewichtssysteme hervorgegangen und behandelte zunächst nur physikalische Systeme. Ziel ist es, Prinzipien der natürlichen Selbstorganisation in dynamischen, komplexen Systemen zu ergründen, z. B. die durch die Wechselwirkung gleicher Elemente innerhalb dieser Systeme entsteht. In bionischer Manier überträgt die Synergetik seit ihrer Begründung physikalische Beobachtungen auf anderen Wissenschaftsdomänen wie der Soziologie, Psychologie, aber auch der Managementlehre [9].

Die Synergetik liefert damit einen bionischen Erklärungsansatz für die Ausprägung von Selbstorganisation im Organisationsumfeld. Anstelle starrer hierarchischer, sollen flache veränderliche Organisationsstrukturen folgen, die durch verteilte Intelligenz Entscheidungen treffen. Durch die Wahl der richtigen Ordnungsparameter durch eine höhere Instanz, soll das Management geeignete Ausgangsbedingungen für die Selbstorganisation im Unternehmen schaffen.

Zellstruktur-Design von Nils Pfläging und Silke Hermann

Das Zellstruktur-Design verspricht ein modernes Managementsystem bzw. Open Source Sozialtechnologie nach dem Vorbild der Zelle [10]. Der Ansatz verbindet eine Vielzahl an 12 Beta-Kodex und 12 Zellstruktur-Design-Prinzipien. Ich bin der Meinung, dass die Prinzipien für sich alle nicht grundlegend falsch, aber losgelöst voneinander sind. Insbesondere fällt auf, dass der Ansatz und seine Prinzipien aber außer einer augenscheinlichen Ähnlichkeit mit einer Zelle, keine tiefergehenden Übertragungen enthält. Die wenigen Ähnlichkeiten sind der Übertragung von anatomischen Strukturen („Was“) entsprungen, was wie eingangs beschrieben im Kontext von Organisationen nicht zielführend ist. Das eine Zelle rund ist, und ein Innen und Außen hat stimmt zwar, jedoch ist die Lernmöglichkeit daraus für Organisationen überschaubar. In seiner Gesamtheit ist für mich der Zellstruktur-Design-Ansatz eher ein Potpourri moderner Managementphilosophie von Selbstorganisation bis hin zur Agilität.

Sonstiges: Fraktale, Bienenwaben und andere Organisationsmodelle

Vor einiger Zeit titelte ein Artikel der Corporate Rebels: „10 progressive Organisationsstrukturen, die von echten Unternehmen entwickelt wurden“ [11]. Spannend war dabei für mich, dass davon die Hälfte nach Strukturen benannt worden sind, die in der Natur vorkommen, darunter: Amöben, Zellen, Fraktale, Bienenwaben und Gittermuster.  Sobald man dann in die Beschreibungen der einzelnen Organisationsstrukturen eintauchte, stellte man fest, dass die Benennung nach ihrem natürlichen Vorbild eher erzählerischem Ursprung ist. Denn egal ob Amöben, Fraktale oder Bienenwaben immer ging es darum, dass es kleinere (mehr oder weniger) autonome Einheiten im Unternehmen gab. Diese selbstorganisierten Einheiten waren gegenüber dem Gesamtunternehmen klein (5 bis 50 Mitarbeiter), und selbst für ihre Profitabilität verantwortlich. Bionisch betrachtet ist auch die Zelle eines Lebewesens eine autonome lebensfähige Einheit. Zellen sind jedoch im Verbund (als Teil eines Organismus) zumeist stark spezialisiert und somit nur in Symbiose mit dem restlichen Zellverbund lebensfähig ist. Je nachdem ob die genannten Organisationseinheiten also miteinander als Ganzes operieren oder (z. B. wie bei Kyoceras Amöben) autonom und im Wettstreit bleibt die bionische Analogie fragwürdig. Auch Insektenschwärme, die gerne als Super-Organismen bezeichnet werden gibt es keinen inneren Wettbewerb zu beobachten. Folglich ist anzunehmen, dass die Namensgebung dieser Organisationsmodelle eher zufällig ist und weniger von einer überlegten Übertragung aus der Natur herrührt.

Viable Business von Clemens Dachs

Die Eigenschaft aller lebenden Systeme (Lebewesen und Organisationen), sich selbst zu erzeugen, ist die Autopoiesis. Sie ist für Leben zentral, denn ohne Autopoiesis kein Wachstum und ohne Wachstum kein Leben. Doch beschäftigt man sich eingehender mit der Autopoiesis stellt fest, dass diese von den Vordenkern des letzten Jahrhunderts nicht erklärt werden konnte.

Im Jahre 2013 wurde von Clemens Dachs Idee geboren, dass Organisationen doch wie Lebewesen funktionieren müssten. Denn Lebewesen haben viele positive Eigenschaften, die sich Unternehmen heute wünschen: Schnelles Wachstum, inneres Gleichgewicht und eine über Jahrmilliarden bewährte Anpassungsfähigkeit. Doch anstelle sich mit ausgewählten Lebensformen zu beschäftigen, wählte Dachs einen bisher eher ungewöhnlichen Beobachtungsgegenstand: die Zelle. Denn egal ob Mensch, Tier, Einzeller oder Pflanze auf molekularer Perspektive ist jede Lebensform gleichartig aufgebaut. Die Zelle ist der kleinste gemeinsame Nenner des Lebens. Wirkliche Lebensfähigkeit von lebenden Systemen kann also nicht mit einem Nervensystem (vgl. VSM) erläutert werden, sondern indem man die molekularbiologischen Dynamiken jeder Art von Leben entschlüsselt. Es geht somit nicht darum, die Struktur der Zelle zu verstehen, sondern die zugrundeliegende Funktion, die Autopoiesis bedingt („Wie“). Die These dahinter: Sind die funktionalen Wirkprinzipien verstanden, sollten diese sich auch auf andere lebende Systeme, wie Organisationen übertragen lassen.

Die Ergebnisse der Forschungs- und praktischer Anwendungsarbeit führten Dachs 2020 zur erfolgreichen Dissertation über „Viable Project Business – A Bionic Management System for Large Enterprises“ [12], 2021 zu unserem gemeinsamen Business-Roman „Zellkultur“ [13] und in diesem Jahr zu einem kleinen, kurzweiligen Theoriebüchlein, „Autopoiesis“ genannt [14]. 

Gegenstand all dieser Werke ist die Beschreibung eines bionischen Management-Systems, dass auf logisch aufeinander aufbauenden Prinzipien beruht. Und zwar fundamentalen Wirkprinzipien, die im Zusammenspiel die lebensfähige Dynamik erzeugen, die Autopoiesis überhaupt erst ermöglicht. Die spannende Erkenntnis: Lebewesen sind nur in ihrer Gesamtheit im Gleichgewicht (Homöostase), weil ihre gesammelten inneren Abläufe selbstverstärkend, also exponentiell ablaufen (Katalyse). Was erstmal wie ein Paradoxon klingt, ist der grundlegende Bauplan des Lebens, der Leben physikalisch überhaupt erst möglich macht. Denn Clemens Dachs Theorie beginnt ganz unten: bei der Betrachtung der physikalischen Rahmenbedingungen unseres Universums. Denn diese Notwendigkeiten brachten in Folge die lebendige Dynamik hervor, die wir unverändert seit Jahrmilliarden in Zellen aller Art vorfinden.

Mit meiner Hilfe übersetzten und implementierten diese Beobachtungen in den letzten Jahren, um diese praktisch in Unternehmen nutzbar zu machen. Dabei zeigte sich Erstaunliches: Selbst Erfolgsprinzipien verbreiteter Managementansätze wie Lean, Agile und Theory of Constraints, lassen sich in lebenden Zellen wiederfinden. Sie sind, richtig kombiniert, Bausteine einer wachstumsfördernden Dynamik. Es ist also denkbar, dass der bionische Funktionsplan des Lebens eine geeignete Landkarte ist, um bekannte und erfolgreiche Methoden der Unternehmensführung, zu einem widerspruchsfreien Ganzen zusammenzufügen.

Aus Sicht der Bionik ist der Dachse Ansatz ein fundierter Versuch, vom „Wie“ des Lebens zu lernen, um Organisationen lebensfähig in einer sich veränderlichen Umwelt zu gestalten. Durch das erstmalige Verständnis der Autopoiesis selbst, können Unternehmen ihr Wachstum fördern, indem sie die nötigen Dynamiken nach dem Vorbild der Natur erzeugen. Damit bietet der Ansatz das Potenzial, die Denkweise darüber, wie Organisationen verstanden werden, grundsätzlich zu revolutionieren.

Und was kommt nach der Analogie?

Alles was gegen die Natur ist hat auf Dauer keinen Bestand.

-Charles Darwin

Ich bin der Überzeugung, Darwins Zitat bringt es auf den Punkt. Die Natur ist so ideenreich, wie genial. Seit Milliarden von Jahren schafft sie Organisationsformen in einer unvorstellbaren Komplexität und Vollkommenheit. Ich glaube daher, dass es sich lohnt, wieder ganz genau hinzusehen. Hinzusehen, um die verborgenen Geheimnisse der Natur zu entschlüsseln und für eine neue Generation der Unternehmensführung nutzbar zu machen. Eine Generation an Unternehmen, die sich die unumstößlichen Naturprinzipien aller lebenden Systeme zu eigen macht, um bessere Organisationen zu schaffen – und zwar für Mensch und Natur.

Denn jedes System, dass sich nicht im Einklang mit seiner Umwelt befindet, wird früher oder später vergehen. Und das gilt es für jedes lebende System, auch Organisationen tunlichst zu vermeiden.

P.S.: Ich biete Organisationsentwicklung auf Basis moderner Organisationsbionik an, um unternehmerische Herausforderungen zu lösen. Mehr dazu hier: Home

Literaturhinweise

[1] A. von Geich, C.Pade, I. Petschow, E. Pissarskoi (2007) Bionik: Aktuelle Trends und zukünftige Potentiale
[2] https://rp-online.de/leben/beruf/was-manager-von-woelfen-lernen-koennen_aid-11304637
[3] D.C. Bennet (1995): Darwins’s dangerous idea [Link] http://www.inf.fu-berlin.de/lehre/pmo/eng/Dennett-Darwin’sDangerousIdea.pdf
[4] S. Beer (1995): Brain of the firm
[5] M. Pfiffner: Die dritte Dimension des Organisierens: Steuerung und Kommunikation
[6] Luhmann, Baecker (2017): Einführung in die Systemtheroie
[7] D. M. Rodríguez, J. N. Torres:  Autopoiesis, die Einheit einer Differenz: Luhmann und Maturana; abrufbar unter: https://publications.iai.spk-berlin.de/servlets/MCRFileNodeServlet/Document_derivate_00001130/BIA_116_079_108.pdf
[8] H. Maturana, F.J. Varela (1980): Autopoiesis and Cognition
[9] H. Haken, G. Schiepek (2010): Synergetik in der Psychologie: Selbstorganisation verstehen und gestalten
[10] N. Pfläging, S. Hermann (2020): Zellstruktur-Design
[11] https://corporate-rebels.com/progressive-organizational-structures/
[12] C. Dachs (2021) Viable Project Business – A bionic Management System for Large Enterprises
[13] C. Dachs, Moritz Hornung (2021): Zellkultur – Ein Business-Roman über bionisches Organisationsdesign [mehr dazu hier: business-surivalist.com/zellkultur-business-roman]
[14] C. Dachs (2022): Autopoiesis

Der Mensch im System

Zusammenfassung für eilige Leser
Bei systemtheoretischen Betrachtungen von sozialen Systemen stellt sich häufig die Frage: „Wo ist hier der Mensch“? Um überhaupt auf einer systemischen Ebene soziale Systeme beschreiben zu können, ist der Mensch als Ganzes nicht Teil dieser Betrachtungen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Mensch den abstrakten Beschreibungen und Analysen untergeordnet ist. Der Artikel spannt den Bogen über bionische Analogien, systemischen Beschreibungen von Organisationen bis hin zum Menschen – denn auf ihn kommt es an.

Ich erlebe es immer wieder, dass ich gefragt werde „Wo denn hier der Mensch bleibt?“ wenn ich darüber berichte mit was ich mich beschäftige. Auf den ersten Blick mögen bionische Betrachtungen von Organisationen, systemtheoretische Beschreibungen und andere abstrakte Modelle sozialer Systeme kalt und distanziert wirken. Und ja, der Blick auf Organisationen durch diese Brille beinhaltet erst einmal keine Menschen. Es sind Modelle sozialer Organisationen die diese in Prinzipien, zirkulären Wirkungskreisläufen und vernetzten Kausalitäten beschreiben. Aber dieser analytische und formale Blick auf die Gefüge komplexer sozialer Systeme ist notwendig, um sich – zumindest in erster Instanz – nicht vom ebenso komplexen Universum des einzelnen Menschen ablenken zu lassen.

In einem früheren Artikel habe ich bereits beleuchtet, weshalb bionische Übertragungen auf soziale Systeme durchaus ihre Berechtigung haben. Auch habe ich kurz skizziert, dass die Natur uns hier zwar fundamentale Gestaltungsprinzipien an die Hand gibt, uns aber im Gegenzug keine Antwort auf die Frage gibt, was gute Führung oder eine menschen-gerechte Arbeitswelt ist. Dies muss sie aber auch gar nicht, da der „Faktor Mensch“ zur Umsetzung dieser Prinzipien ganz automatisch, sozusagen zwingend in den Fokus der Organisationsgestaltung rückt. Weshalb werde in diesem Artikel kurz umreißen. Denn obwohl der Mensch nicht der Dreh- und Angelpunkt systemischer Betrachtungen ist, ist er ebenso unerlässlich für den Aufbau (über-)lebensfähiger Organisationen.

Wo ist der Mensch im System verortet?

Bereits die Luhmannsche Theorie sozialer Systeme basierte auf dem „Wegdenken“ des einzelnen Menschen aus den systemischen Betrachtungen. Da jeder Mensch in seiner Gänze durch seine Persönlichkeit bereits ein komplexes soziales System ist wird so eine Art „Hyperkomplexität“ vermieden. Das System selbst wird als ein Konstrukt fortwährender, sich aneinander anschließender Prozesse (Operationen) und somit losgelöst vom einzelnen Individuum betrachtet. Bezogen auf das soziale System der Unternehmung bedeutet dies folgendes: Der Mensch selbst ist nicht Teil des Systems, sondern nimmt an diesem in Form seiner Rolle teil, die er in dieser Organisation (soziales System) ausfüllt. Er ist somit Teil der Unternehmensumwelt und damit ein Stakeholder der Organisation. Er kann diese Organisation jederzeit verlassen, und doch hält er mit seinen Handlungen (Operationen) die Organisation am Laufen. Durch die Definition von Rollen ist auch eine gewisse Ersetzbarkeit des Individuums gegeben, da man keine systemischen Betrachtungen, um das Individuum herum beschreiben kann [1].

Ein System ist ganz grundlegend lebensfähig, wenn es folgende Bedingungen erfüllen kann:

  1. Das lebende System erzeugt einen Ressourcen- und Energieüberschuss aus seiner Umwelt.
  2. Das lebende System erzeugt schneller innere Ordnung, als diese verloren geht.

Bei lebenden Systemen bedingen beide Punkte einander zirkulär. Ordnung kann nur durch katalysierte Prozesse ausreichend schnell erzeugt werden. Die Katalyse funktioniert ebenfalls nur wenn ein ununterbrochener Strom an Ressourcen und Energie vorhanden ist [2].

Prozesse müssen zuverlässig ablaufen, um Systemverhalten zu erzeugen

Beide Punkte ermöglichen erst den primären Zweck lebensfähiger Organisationen: Den eigenen Selbsterhalt, sprich des Wachsen und Fortpflanzen des Systems. Der erste Punkt ist das Ergebnis einer ausreichenden Fitness des Systems in seiner Umwelt. Der zweite Punkt hingegen ist ganz grundsätzlich durch die katalysierte Durchführung jeglicher Prozesse (Operationen) innerhalb des Systems zu erreichen. Die Katalyse habe ich in diesem Artikel erläutert.

Ein zwingend notwendiges Merkmal aller internen Prozesse ist daher die operationale Zuverlässigkeit. Denn es reicht nicht, dass Prozesse katalysiert (sprich effizient und effektiv) ablaufen, sondern sie müssen dies immer (oder ausreichend häufig) tun. Ansonsten ist die Wirksamkeit eines Prozesses nicht ausreichend, um einen Beitrag zur Lebensfähigkeit zu leisten. Wird das erwünschte Prozessergebnis nur sporadisch erzeugt, kann daraus keine Eigenschaft oder ein vorteilhaftes Verhalten des Systems begründet werden. Das ist in etwas so, als ob sie von sich behaupten: „Ich mache regelmäßig Sport, etwa 3-Mal die Woche. Nur die letzten vier Wochen bin ich aus beruflichen Gründen nicht dazu gekommen.“
Nur dauerhaftes vorteilhaftes Verhalten (auch von sozialen Systemen) erzeugt dauerhafte Lebensfähigkeit des Systems. Auf Einmal-Aktionen kann kein lebensfähiges System begründet werden.

Dem Menschen kommt die Aufgabe der Zuverlässigkeit zu

Aus der Natur des Systems ergibt sich, dass der Mensch mit seinen Handlungen das System ganz grundlegend existieren lässt. Da es bei dieser Erhaltung jedoch um die Anschlussfähigkeit dieser Operationen (operationalen Zuverlässigkeit) geht, kommt dem Menschen als Akteur eine lebenswichtige Aufgabe des Systems zu: Seine Handlungen müssen eine ausreichende Zuverlässigkeit haben, auf denen das System die Anschlussfähigkeit seiner Prozesse begründen kann.

Denn ungeachtet dessen, ob wir aus Sicht der Organisation eine Rolle definieren, um eine Neutralität zu einzelnen Personen herzustellen, gelingt uns dies nur begrenzt. Es hat auch nichts damit zu tun, ob wir Rollen hochdynamisch und kleinteilig definieren, wie es in soziokratischen Unternehmen (bspw. Holocracy [3]) der Fall ist. Eine Rolle ist immer eine Erwartung des Systems an den Rolleninhaber über:

  • die auszuführenden Prozesse (Operationen)
  • die dazugehörige operationale Zuverlässigkeit bei der Durchführung

Wir blenden an dieser Stelle aus, dass ein soziales System Organisation auch aus Operationen besteht, die nicht von Menschen getätigt werden. Dies geschieht beispielsweise wenn Prozesse automatisiert sind. Ein bekannter Vorteil dieser Prozesse ist es zumeist, dass sie eine sehr hohe Zuverlässigkeit besitzen, die uns Menschen nicht gegeben ist. Unterm Strich stellt sich daher die Frage: Wie schafft man ein Systemumfeld, indem die Zuverlässigkeit menschlicher Operationen ausreichend hoch ist, um die Lebensfähigkeit des Systems zu erzeugen?

Prozesse benötigen Katalysatoren

Daher noch einmal ein kurzer Abriss des Themas Prozess-Katalysatoren:
Damit ein Prozess einen Beitrag zur Lebensfähigkeit des Systems liefert muss er katalysiert ablaufen. Ein katalysierter Prozess ist:

  • Effizient  (energie- und ressourcensparend)
  • Beschleunigt  (kurze Durchlaufzeit)
  • Zuverlässig (hohe statistische Erfolgswahrscheinlichkeit, um Anschlussfähigkeit zu garantieren)

Jeder Prozess hat eine spezifische optimale Arbeitsumgebung

Diese Prozesseigenschaften erzeugen lebende Systeme durch die Erzeugung von geeigneten Katalysatoren. So wie es unzählige Prozesse in Organisationen gibt, muss es folglich unzählige Katalysatoren geben, denn jeder Prozess benötigt eine ganz individuelle Umgebung, die optimal ist. Ein Produktionsprozess im Werk hat völlig andere Anforderungen an die Werkzeuge und die vorherrschende Führungskultur, verglichen mit einem administrativen Prozess in der Buchhaltung. Wiederum anders verhält es sich mit hoch kreativen Prozessen, egal ob dies nun das Malen eines Bildes im Atelier eines Künstlers, oder das Ausdenken neuer Produktdesigns ist. An dieser Stelle verzichte ich auf die Beschreibung über den Aufbau eines (Geschäfts-)Katalysators [2], da dies alleine Stoff für einen weiteren Artikel ist.

Bestandteile eines Katalysators

Was bedeutet es optimalen Arbeitsbedingungen für einen Prozess zu haben? Vereinfacht gesagt, dass alle Faktoren (Mensch, Maschine, Material, Management, etc.) an Ort und Stelle sind wenn es zur „Reaktion“ kommt. Auch in der Natur gibt es nur dann eine Reaktion, wenn alle Moleküle zur selben Zeit am selben Ort sind und ausreichend freie Energie vorhanden ist. Das ist es was ein Bio-Katalysator tut, denn er sorgt dafür, dass diese Reaktionsbedingungen erfüllt sind.

In Prozessen in denen Menschen beteiligt sind kommen somit unweigerlich Faktoren ins Spiel, die nicht im Zentrum klassischer Prozessbeobachtungen stehen. Klassischerweise konzentriert man sich hierbei auf das Vorhandensein von Werkzeugen, Informationen oder auch den Kompetenzen des Mitarbeiters. Diese Betrachtungen sind alle absolut richtig, ohne Einschränkung. Doch spinnen wir diesen Gedanken weiter stellt sich die Frage:  Gibt es noch mehr Faktoren, die dazu führen ob eine „Rolle“ die optimalen Arbeitsbedingungen vorfindet?  
Sicherlich, denn diese Faktoren entstehen aus der Tatsache heraus, dass eine Rolle, egal ob es nun der „Abteilungsleiter“, der „Ingenieur“ oder die „Sekretärin“ ist an einen Menschen gekoppelt ist. 

Die Rolle im Unternehmen hängt an einer Person

Wir können nicht leugnen, dass jede noch so formal korrekte Rolle in der Organisation durch einen Menschen ausgeführt wird. Die Herausforderung als Organisation mit dem Rolleninhaber ist es dem Menschen ganz individuell Rechnung zu tragen. Denn es ist nicht zu leugnen, dass die optimalen Arbeitsbedingungen für einen katalysierten Prozess durch den Rolleninhaber geprägt werden. 

Das System- Individuum Dilemma

Als Unternehmen stellt uns das vor folgendes Dilemma:
Wir benötigen katalysierte Prozesse. Doch diese können nur erzielt werden, wenn der Mensch hinter der Rolle abgeholt wird. Dieser ist per Definition aber nicht Teil unseres Systems.

Als Organisation sorgen wir zuverlässig dafür, dass alle nötigen Faktoren vorhanden sind, um katalysiertes Arbeiten zu ermöglichen. Hierfür hat die Organisation auch die Unternehmenskultur im Blick: Sie versucht eine bestimmte Art der Führung von Mitarbeitern sowie Prinzipien und Regeln zu etablieren, die es ihren Mitarbeitern erlaubt optimal zu arbeiten. Und doch kann dieses Vorgehen nur ein statistisch zuverlässiger Mittelwert für unsere Organisation sein. Denn jeder Rolleninhaber hat eine individuelle optimale Arbeitsbedingung. Und diese geht weit über die Faktoren Maschine, Material und Methode hinaus.

Beispiele für die Wechselwirkung zwischen Organisationsumgebung und dem Menschen hinter der Rolle gibt es unzählig: Würden wir als Unternehmen nur einen Hungerlohn zahlen, wäre unser Mitarbeiter von seinen Geldsorgen gequält, deutlich weniger bei der Sache. Schlaflose Nächte sorgen nun einmal nicht dafür, dass man am nächsten Morgen tatkräftig bei der Sache ist. Etablieren wir eine Kultur der Angst, in der jeder Missgriff drakonisch geahndet wird, werden Mitarbeiter zu viel unproduktive Zeit auf Absicherung verschwenden. Verlangen wir als Organisation häufig Überstunden bis spät in den Abend hinein, wird der häusliche Konflikt darüber mit seiner Ehefrau all seine Energie rauben.

Denn jeder Mensch hinter einer Rolle besitzt ganz eigene Bedürfnisse, Werte und Ziele, die ihm seine Sinnhaftigkeit geben [4]. Die Organisation ist daher aus Gründen der zwingenden Notwendigkeit katalysierter Prozesse angehalten jedem Mitarbeiter alle Faktoren für eine optimale Arbeitsumgebung zu erzeugen. Gerade wenn wir versuchen Wissensarbeitern die Möglichkeit bieten wollen, den vielzitierten „Flow-Zustand“ in ihrer Arbeit zu erreichen, wird dies niemals gelingen, ohne dafür individuelle Arbeitsbedingungen zu schaffen [5]. Und die Faktoren Unternehmenskultur, Führung, Anerkennung und so weiter sind niemals „One fits all!“

Systemisch denken – individuelle Symbiosen erzeugen

Als Organisation bietet es sich daher an den letzten Meter auf dem Weg zur optimalen Arbeitsbedingung“ gleichwohl analytisch und systemisch zu gehen. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als diese Fähigkeit der individuellen Berücksichtigung von Bedürfnissen des Rolleninhabers zu formalisieren. Aber was meine ich mit „formalisieren“? Aus Sicht der lebenden Organisation, geht es auch hier darum ein dauerhaftes Verhalten der Organisation zu erzeugen. Ein Verhalten, dass operational zuverlässig dazu führt optimale Arbeitsbedingungen zu erzeugen. Es ist eine grundlegende Aufgabe der lebenden Organisation ihre eigenen Katalysatoren zu erzeugen. Und dazu gehört, wie wir nun wissen, in letzter Instanz auch die Erzeugung individueller Erfolgsfaktoren. Denn nur diese individuellen Faktoren versetzen den einzelnen Mitarbeiter in den Zustand der höchsten Wirksamkeit.

Starre Systeme erzeugen starre Ergebnisse

Die Schwierigkeit hierbei ist, dass starre Regeln die in vielen Unternehmen vorherrschen ein großes Hindernis darstellen. Diese sind zum Beispiel: Die Beurteilung durch den Vorgesetzten nach den Zielen a, b und c, die durch die Unternehmensleitung vorgegeben sind. Die Vergütung von besonderer Leistung durch eine Bonuszahlung. Durch starre Vorgaben können individuelle Ziele nicht passfähig zu den Zielen der Mitarbeiter definiert werden. Außerdem kann Anerkennung sich kaum an den echten Bedürfnissen des Mitarbeiters orientieren. Womöglich ist ein Zusatzurlaub, oder eine Ausbildung das was dem Mitarbeiter wirklich weiterhilft? Auch ist es denkbar, dass der Mitarbeiter große Energie und Motivation daraus zieht, sich ganz regelmäßig mit seiner Führungskraft auszutauschen. Ein jährliches Gespräch trägt diesem Bedürfnis nicht Rechnung.
Ein derart starres Gefüge von Regeln erlaubt es dem System nicht diese individuellen Bedürfnisse zu adressieren. Es kann keine symbiotische Beziehung mit dem Rolleninhaber zu erzeugen. Mit den Worten des Kybernetikers gesprochen: Dem System fehlt die Varietät (Handlungsoptionen), um dieser Komplexität zu begegnen (Ashbys Gesetz).

Die Erzeugung einer optimalen Arbeitsumgebung für jeden Mitarbeiter

Als Organisation muss daher alles getan werden, um die benötigte Varietät zu erzeugen, die es uns erlaubt echte Symbiosen einzugehen.
Ungeachtet dessen darf Folgendes nicht vergessen werden:  Es das oberste Gestaltungskriterium einer lebenden Organisation ist optimale Arbeitsbedingung und eine operationale Zuverlässigkeit zu erzeugen (Katalyse für alle Prozesse). Von daher ist die Erzeugung systemischer vorteilhafter Faktoren immer wichtiger als die Erzeugung von Individualfaktoren des Einzelnen:

Wahrnehmung erzeugt Varietät

Die Organisation muss eine ausreichende Wahrnehmung für die individuellen Bedürfnisse der Menschen (Rolleninhaber) entwickeln. Diese Wahrnehmung erhöht die Varietät des System, um überhaupt ausreichende Handlungsoptionen zu generieren. Das wahrgenommene Bild der Realität beschränkt die möglichen Handlungsspielräume einer Organisation. Ein Chef ohne jegliche Empathie hat auch keine Möglichkeit auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.

Geben und Nehmen

Die Organisation hat ein klares Verständnis über das Geben und Nehmen gegenüber seinen Mitarbeitern [2]. Die Definition der symbiotischen Beziehung erfolgt hierbei systemisch als auch individuell. Systemisch im Sinne von was bieten wir als Organisation an, um unsere Mitarbeiter zu befriedigen, aber auch was erwarten wir als Organisation ganz konkret von jedem Mitarbeiter. Diese grundlegenden Eigenschaften des Geben und Nehmen definieren maßgeblich, wie eine Organisation funktioniert (Kultur). Eine Organisation, die über Geldanreize zusätzliche Überstunden kompensiert generiert eine völlig andere Systemumgebung, als eine Organisation in der dies nicht so ist.
Nur durch eine wechselseitige Passung dieses Austausches entstehen einerseits die gewünschten optimalen Arbeitsbedingungen und andererseits die operationale Zuverlässigkeit.

Auswahl der Mitarbeiter

Die Auswahl der Mitarbeiter und insbesondere der Führungskräfte hat klaren Prinzipien zu folgen. Durch die Klarheit über das Geben und Nehmen ergeben sich direkte Folgen für die Auswahl der Mitarbeiter. Bereits bei der Einstellung ist darauf zu achten, dass es „klare Passkriterien“ gibt. Ein Mitarbeiter der persönlich nicht zur Organisation passt, wird niemals eine persönliche optimale Arbeitsbedingung vorfinden. Auch können die Persönlichkeit oder grundlegende Fähigkeiten des Mitarbeiters nicht nachträglich „geändert“ werden – sollen sie auch gar nicht. Daher ist auch nicht jeder individuelle Erfolgsfaktor durch die Organisation erzeugbar. Abhängig von der fehlenden Passfähigkeit zwischen Organisation und Mitarbeiter können unvorteilhafte Wechselwirkungen mit anderen Rolleninhabern die Folge sein (bspw. abweichende Gehaltsbänder, Sondervergütungen etc.).

Der Prozess individueller Anpassung

Um operational zuverlässig zu sein, benötigt die Organisation auch für die Erzeugung von individuellen Erfolgsfaktoren einen Prozess. Nur stabile Prozesse erzeugen ein zuverlässiges Verhalten und damit dauerhafte Lebensfähigkeit. Jede Führungskraft in der Organisation benötigt das gleiche Verständnis über die Wechselwirkungen zwischen Organisation, Prozess (Operation), Rolle und Mensch. Nur wenn jede Führungskraft ein gemeinsames mentales Modell der Wirklichkeit teilt, werden die abgeleiteten Maßnahmen zuverlässig in die gleiche Richtung gehen. Und nur durch zuverlässige Prozesse wird Anschlussfähigkeit und vorteilhaftes Systemverhalten erzeugt – und zwar dauerhaft. Dass dieser Prozess wiederum einer dauerhaften Anpassung unterworfen sein muss, um der Realität Rechnung zu tragen ist unumstritten. Aber für den Moment ist es notwendig, dass die Organisation auch für die Individualisierung ihrer optimalen Arbeitsbedingung ein passendes Vorgehen besitzt.

Das überlebensfähige Ich – Baustein überlebensfähiger Organisationen

Auch wenn der Artikel sich bemüht hat nicht die Flughöhe der Organisation zu verlassen ist hoffentlich eines klar geworden: Die Wechselwirkung zwischen Organisation und Rolle, geht viel weiter bis hin zum Rolleninhaber, dem Menschen selbst. Als Organisation sind wir in der Lage diese Tatsache zu adressieren, indem wir ein System schaffen, dass die Möglichkeit besitzt individuelle Erfolgsfaktoren zu erzeugen. Für die Überlebensfähigkeit jedoch ist es gleichwohl unerlässlich dies nicht auf Kosten von gesamtheitlicher Ordnung und operationaler Zuverlässigkeit zu tun. Sich als Organisation mit dem Menschen hinter der Rolle zu beschäftigen ist daher für mich nichts „Esoterisches“. Sondern es ist die logische Konsequenz daraus, dass lebende Organisationen danach streben, all ihre Prozessen katalysiert ablaufen zu lassen. Das wiederum führt zur Erhöhung der eigenen Lebensfähigkeit. Eine Organisation in der jeder Mitarbeiter seine „perfekte Arbeitsbedingung“ vorfindet ist daher wohl das Optimum im Sinne der Lebensfähigkeit. Ist es nicht wunderbar, dass Menschlichkeit und logische Notwendigkeit zusammenfinden?

Als Organisation ist es daher wichtig zu verstehen, dass die Lebensfähigkeit etwas ist, dass auf allen Ebenen von lebenden Systemen entsteht. Auch unser Mitarbeiter als Mensch ist ein lebendes System. Somit gelten auch für ihn die Prinzipien der Lebensfähigkeit. Nur durch die Erzeugung von gemeinsamen Symbiosen zwischen Organisation und Mitarbeiter, wird den Bedürfnissen und Erwartungen beider Partner dauerhaft Rechnung getragen. Und was gibt es besseres als einen engagierten, erfüllten Mitarbeiter für die eigene operationale Zuverlässigkeit?

All the love and all the power! Danke fürs Lesen!

Literaturhinweise und Buchempfehlungen

[1] Simon, Fritz B. (2018): Einführung in die systemische Organisationstheorie. 6. Auflage. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag (Carl-Auer compact). Seite 13-35 [Affiliate-Link: Deutsche Ausgabe]
[2] Dachs, Clemens (2020): Viable Project Business. Springer (unveröffentlicht)
[3] Robertson, J. Brian (2016): Holocracy – Ein revolutionäres Management-System für eine volatile Welt. München: Franz Vahlen Verlag [Affiliate-Link: Deutsche Ausgabe]
[4] Schnell, Thomas (2016): Psychologie des Lebenssinns. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag [Affiliate-Link: Deutsche Ausgabe]
[5] Csikszentmihalyi, Mihaly; Stopfel, Ulrike (2014): Flow im Beruf. Das Geheimnis des Glücks am Arbeitsplatz. 1. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta. [Affiliate-Link: Deutsche Ausgabe]
[6] Lambertz, Mark (2016): Freiheit und Verantwortung für intelligente Organisationen. 2. Aufl. Selbstverlag [Affiliate-Link: Deutsche Ausgabe]

Viability 2.0 – Überlebensfähigkeit von Organisationen neu definiert

An diesen Satz erinnert sich mein Kollege Clemens Dachs immer noch, seit er ihn auf dem diesjährigen GTD Summit in Amsterdam hörte: „Unternehmen sollten wie Lebewesen gestaltet werden“. Der Urheber dieses Satzes war Brian Robertson, der Begründer von Holocracy, der diese Satz während seiner Rede vor dem versammelten Publikum äußerte. Volle Zustimmung dafür! Die Frage ist nur, welches Lebewesen genau und wie macht man das?

Lebensfähigkeit von Organisationen

Eine plausible Antwort auf diese Frage versuchte in den vergangenen Jahrzehnten die Schule der Kybernetik zu geben. Leider hört man von dieser Disziplin nicht mehr viel, da mittlerweile fast alle großen Kybernetiker ausgestorben sind. Eines der bekanntesten kybernetischen Modelle ist vermutlich das Viable System Model (VSM) des Management-Kybernetikers Stafford Beer. Das VSM überträgt die Wirkungsweise eines Nervensystems auf die Wahrnehmungs- und Steuerungsmechanismen von Unternehmen. Das Modell ist elegant, schlüssig und gibt wertvolle Erkenntnisse darüber, wie mit Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen in Unternehmen gestaltet werden können. Da die Kybernetik sich nur mit der Beschreibung von Informationsströmen und nicht mit materiellen und energetischen Zusammenhängen von Lebewesen beschäftigt, ist das VSM jedoch unvollständig. Es ist ein Nervensystem ohne Körper und somit nur ein Teilsystem eines Lebewesens. Daher kann das VSM, anders als sein Name vermuten lässt, keinen vollständigen Aufschluss über die Gestaltungskriterien für Lebensfähigkeit von Organisationen geben.

In meinem letzten Artikel habe ich aufgezeigt weshalb Zellen in jeder Form der Prototyp für Überlebensfähigkeit in einer veränderlichen Umwelt sind. Zellen sind der elementare Baustein jeder höheren Form von Leben und funktionieren ausnahmslos nach den gleichen physikalischen und chemischen Prinzipien. Diese Urform des Lebens besitzt kein Nervensystem und ist doch seit Milliarden von Jahren der Benchmark für (Über-)Lebensfähigkeit. Auch Pflanzen existieren ohne zentrales Nervensystem und dennoch wird niemand ernsthaft behaupten, dass ein Baum kein Lebewesen ist. Bäume haben zudem sehr überzeugende Erfolge vorzuweisen, gibt es doch Vertreter ihrer Art die tausende von Jahren existieren. Welches Unternehmen möchte nicht gerne tausende Jahre überdauern?

Gestaltung von lebensfähigen Organisationen

Wenn man Organisationen lebensfähig gestalten will, muss man sich auch mit deren vitalen Funktionen auseinandersetzen. Sonst ist das Vorgehen in etwa so als ob man Change Management betreiben möchte, ohne verstehen zu wollen, was die Organisation ausmacht und wie sie grundlegend funktioniert. Es ist das Optimieren einer Maschine, ohne zu verstehen wie ihre inneren Teile zusammenarbeiten. Lebensfähigkeit von Systemen ist das Resultat aus der Verwirklichung einer Reihe von fundamentalen lebensnotwendigen Prinzipien. Um diese zu verstehen, benötigen wir ein systemisches Verständnis der molekular-biologischer Vorgänge, die dann abstrahiert und für nicht biologische Systeme anwendbar gemacht werden. Diese Universal Viable Principles (UVP) sind Ursache und Wirkung zugleich, bedingen einander und führen in ihrer Gesamtheit zum Phänomen der Lebensfähigkeit.

Wenn es also ein erstrebenswertes Ziel ist, Organisationen nach dem Vorbild lebender Systeme zu gestalten – wie stellen wir das an? Aus meiner Sicht sind wir gezwungen den universellen Baustein allen Lebens zu verstehen, da er die Basis für Lebensfähigkeit auf unserer Erde darstellt. Dies gelingt uns nur durch das Übertragen molekular-biologischer Zusammenhänge von Materie, Energie und Information. Diese, alles Leben verbindende Prinzipien, erlauben es uns aus ihnen lebende Organisationen zu kreieren. Und zwar in einer ebenso großen Vielfalt und Unterschiedlichkeit, wie die Schöpfung eine Vielzahl an unterschiedlichsten Arten geschaffen hat.

Vielen Dank fürs Lesen, Bewerten und Teilen. Ich bin gespannt, was ihr darüber denkt.

Überleben in einer veränderlichen Umwelt – Lernen von den Champions

Leben existierst seit 3.8 Milliarden Jahren

Unsere Erde ist etwa 4.5 Milliarden Jahre alt. Seither haben sich die Lebensbedingungen auf unserem blauen Planeten wiederholt von Grund auf verändert. Immer und immer wieder wurde das aufblühende Leben über die Zeitalter der Erdgeschichte vor eine Vielzahl an Herausforderungen gestellt: Eiszeiten, Vulkanausbrüche und Meteoriteneinschläge von katalytischen Ausmaßen. Diese katastrophalen Veränderungen tilgten die weniger anpassungsfähigen Arten vom Antlitz unseres Planeten. Mehr als einmal stand alles Leben an der Schwelle seiner Auslöschung, da sich die Umwelt radikal innerhalb kürzester Zeit veränderte.

Über mehr als 3 Milliarden Jahre unserer Erdgeschichte waren Einzeller nahezu unter sich. Erst vor einem erdgeschichtlich kurzen Zeitraum von etwa 600 Millionen Jahren, stießen die mehrzellige Lebewesen hinzu. Zu diesen dürfen auch wir uns zählen. Viele den dazugekommen Arten sind mittlerweile wieder ausgestorben, da sie sich nicht an die sich ändernden Anforderungen anpassen konnten. Nur die Prototypen des Lebens – Zellen – bevölkern weiterhin und unbeirrt, auch die unwirtlichsten Regionen auf unserem Planeten: Von lichtlosen Tiefen, kochend heißen Quellen bis hin zu den arktischen Polarzonen. Seit fast 4 Milliarden Jahren überleben sie als Einzeller, Mehrzeller oder auch als Grundbaustein eines jeden höheren Lebewesens.
Auf Grund dieser beeindruckenden Erfolgsgeschichte sind Zellen die Champions im Überleben!

Organisationen nach dem Vorbild des Lebens gestalten

Mein Kollege Clemens Dachs hat vor 6 Jahren eine Disziplin ins Leben gerufen. Diese Disziplin beschäftigt sich seither damit die molekular-biologischen Prinzipien von Zellen auf einer systemischen Ebene zu interpretieren. Die bisher gewonnen Erkenntnisse geben uns weitreichende Einsichten darüber, wie Organisationen es meistern können, die eigene Überlebensfähigkeit in einer sich stets veränderlichen Umwelt zu erhöhen. Tagtäglich arbeiten in unserem Körper mehr als hundert Billionen Zellen in perfekter Harmonie reibungslos zusammen. Durch das Verständnis wie diese Zusammenarbeit in derartiger Komplexität dennoch funktioniert, können Unternehmen vieles darüber lernen was Kollaboration bedeutet. Die Natur hat viele der Fragen, die wir uns heute im Kontext der Komplexität unserer schnelllebigen Welt stellen, bereits mit unvergleichlicher Eleganz gelöst.

Ich beschäftige daher mit neu gedachten Organisationssystemen für Unternehmen jeder Größe, die nach kontinuierlicher Weiterentwicklung, Anpassungsfähigkeit und reibungsloser Kollaboration streben. Dazu nutze ich bewährte Methoden aus Lean, Agile, Theory of Constraints und Projekt- und Programm-Management und ordne diese neu an, um die Prinzipien lebender Systeme in Organisationen zu etablieren.

Dieser Artikel ist leicht modifiziert am 15.Juli 2019 auf LinkedIn erschienen: https://www.linkedin.com/pulse/%C3%BCberleben-einer-ver%C3%A4nderlichen-umwelt-lernen-von-den-moritz-hornung/